Heute kommt mal ein Erfahrungsbericht. Die meisten von Ihnen
wissen ja, dass ich regelmäßig auf längere Retreats (Rückzug zum Meditieren und
Studium) fahre. Über Karneval wurde ein Retreat zu einem interessanten Thema
angeboten, das auch für blutige Anfänger empfohlen wurde. Eigentlich nichts
ungewöhnliches und vermutlich wäre es für mich eine ganz normale
Wochenend-Auszeit gewesen. Aber dieses Mal gab es doch etwas besonderes: ich
nahm zum ersten Mal eine ehemalige Patientin mit, was mich doch etwas nervös
machte.
Das erste Mal, dass ich einer Patientin das "Du" anbieten
würde (was nebenbei bemerkt auch wirklich die einzige Situation ist, in der ich
das im Moment rechtfertigen kann, was nichts mit mangelnder Sympathie allen
anderen gegenüber zu tun hat), das erste Mal würde ich einer Patientin in dem
ziemlich intimen Kreis des Sangha (die buddhistische Gemeinschaft) begegnen,
nicht als Therapeutin sondern einfach nur als Mensch und meine Themen/
Baustellen genauso diskutieren wie sie. Und so wurde es für uns beide eine
bereichernde Erfahrung. Sie machte sich im Anschluss die Mühe, einen
Erfahrungsbericht zu schreiben. Ich fand ihn sehr berührend und freue mich
daher sehr, dass sie zustimmte, ihn auf dem Blog zu veröffentlichen.
Hier möchte ich Ihnen jetzt nur noch zum groben Überblick
den Tagesablauf des Retreats aufzeigen, da dieser im Bericht nur gestört hätte:
Morgens um 7:00 Uhr bis 8:45 Meditation, dann Frühstück, anschließend eine
Pause, um 11 Uhr ein Vortrag, um 12 Uhr eine Meditation mit ein paar Fragen zur
Reflexion. Anschließend Mittagsimbiss, gefolgt von einer Pause, 16:00
Meditation, 18 Uhr Abendessen, 20 Uhr Diskussion in Kleingruppen zum
Vortrags-Thema, 21 Uhr Meditation. Ab 21 Uhr waren wir bis Ende des Frühstücks im
Schweigen.
Den eigentlichen Bericht finden Sie nun hier:
Vom 05.02.2016 – 08.02.2016
1. Anfahrt / Ankunft
Nach langen hin und her unendlichen Stunden der Zweifel und
voller Angst habe ich es gewagt, mich ins Abenteuer gestürzt. Die Reise an
diesen Ort war schon sehr aufregend, im Zug viele fremde Menschen. Neue Orte,
fremde Menschen bereiten mir steht´s und ständig Bauchschmerzen – starke Ängste
stiegen in mir auf. In Essen wurde ich abgeholt und die Weiterfahrt zog sich in
die Länge … Stau, Autos, Stau, Autos usw.
Pünktlich auf die Minute angekommen, tief durchgeatmet und
rein ins Getümmel. Der Empfang war so ganz anders als gedacht, sofort spürte ich
diese Wärme. Etwas Magisches lag im Raum dieses konnte ich fühlen aber leider
zu der Zeit noch nicht genießen. Denn meine Ängste und Anspannung hatten mich
voll im Griff. Die Angst zu viel zu sein, die Angst etwas falsch zu machen, die
Angst vor Abwertung / bösen Blicken blieb erst mal. Ich fand ein Haus voller
fremder Menschen vor das machte mir Panik ohne Ende. Beim anschließenden
Abendbrot war ich vielen Blicken ausgesetzt aber die waren voller Freude und
Zuneigung etwas für mich sehr ungewohntes. Zu einer späteren Zeit gingen wir
dann alle gemeinsam in den Schreinraum, eine Vorstellungsrunde begann. Ich
dachte mir nur gleich musst du hier weg. Ich sollte sprechen laut vor fremden
Personen unmöglich. ( große Anzahl von Personen ) Irgendwie habe ich diese
Situation gemeistert, danach haben wir gemeinsam meditiert darauf habe
ich mich ehrlich gesagt wirklich sehr gefreut, der Raum, die Atmosphäre
das Ganze war mitreißend umso erschrockener war ich als ich merkte das
ich keine Ruhe fand. Ich bekam Panik wollte laufen, hatte Scham, bekam kalte
und warme Schauer, Magenschmerzen, mir wurde übel. Aber ich tat was alle getan
haben und blieb sitzen. Nach der Meditation war Schweigen bis zum nächsten
Morgen nach dem Frühstück. Da war ich nun an einem fremden Ort, mit fremden
Menschen mit all meinen Ängsten, Gedanken und bisherigen Erfahrungen und keine
Möglichkeit mich mitzuteilen. Nach über 6 Stunden unterwegs sein mit dem
Zug und Auto war ich froh in einem Bett zu liegen, in einem 4 Bettzimmer - Nur
so zum Verständnis erwähnt. Die erste Nacht war eine Katastrophe, ich konnte
nicht schlafen durch die Anspannung musste ich ständig auf Toilette und das
führte dazu das ich die ganze Zeit übel große Ängste hatte alle anderen im
Zimmer zu wecken. Überlebt habe ich es dennoch, soviel Vorweg...
2. Tag Meditation / Frühstück / Tagesablauf bis 22 Uhr
durchgeplant
Der Nächste Tag begann wie er endete mit wahnsinnig viel
Anspannung und ohne reden. Denn das Schweigen ging ja noch bis nach dem
Frühstück. Die Morgenmeditation habe ich leider verpasst und das war wieder
genau mein Thema. Die Gedanken rasten, die Angst wuchs, die Selbstzweifel
stiegen. Klasse dachte ich Angst vor Ablehnung und schlechten Denken der
Anderen und du kommst als einzige zu spät. Im Anschluss gab es dann das
Frühstück. Mein erstes Frühstück im Schweigen, ich dachte mir das es ziemlich
leise sein wird. Wurde aber eines besseren belehrt, denn jeder von den
Anwesenden macht ja Geräusche beim Essen. Das war faszinierend wahrzunehmen,
einfach mal NUR zu hören. Ich selber habe mich zu dem Zeitpunkt dennoch sehr
unwohl gefühlt, war unsicher und wusste gar nicht so recht wo ich hinsehen
sollte. Ehrlich gesagt war ich erleichtert als das erste Schweigen vorbei war.
Ich konnte, nein ich durfte wieder sprechen. Das war was,
gleich wurde ich von dir Christiane gefragt wie es mir ging und da brach es
auch schon aus mir raus. Ich hatte vorher schon geweint für mich alleine und
nun wollte es eben alles nur noch raus. Ich hatte Angst vor Ablehnung weil ich
die Meditationseinheit verpasst hatte, Angst weil ich nachts ständig raus
musste aber zu meiner Verwunderung geschah nichts davon. Im Gegenteil ich wurde
herzlich in den Arm genommen von dir und keiner aus meinem Zimmer hatte sich
gestört gefühlt durch mich. Niemand hat mich angeschrien oder fertig gemacht,
diese Erfahrung musste ich erst mal sacken lassen. Wieder allein im Zimmer war
ich völlig aufgelöst und verwirrt zu gleich, die Tränen kullerten nur so über
mein Gesicht aber ich hatte das erste Mal ein klein wenig das Gefühl das es
sein darf – das ich sein darf wahrhaftig und echt. Das war ein bewegender
Augenblick, dennoch waren meine Ängste nicht verschwunden oder weniger ich
hielt mich weiterhin mehr im Zimmer auf. Bis du Christiane nochmal reingekommen
bist und meintest los trau dich sei dabei, es wäre sonst so schade. Du bist
spazieren gegangen und ich hab mich nach unten gewagt zu den anderen
Retreatteilnehmern. Ich weiß nicht mehr genau was dann, nein anders wie es dann
passierte aber ich begann mich zu öffnen. Ich begann Gespräche mit sehr
interessanten Menschen, mir wurde warm Stück für Stück ein wenig wärmer. Ich
spürte irgendwie eine seltsame Woge der Erleichterung. Sollte es denn diesmal
tatsächlich anders sein, das war doch nicht möglich? Die nächste
Meditationseinheit stand an, ich muss sagen ich war noch nervöser als am Abend
zu vor durch die Erfahrungen vom Vortag. Wie soll ich es nur in Worte fassen,
anschaulich rüber bringen das man es vielleicht ein wenig nachfühlen kann. Es
war ein magischer Erguss aus vielen schönen Momenten in der Meditation fühlte
ich mich frei, unbefangen, gleichzeitig aber auch gehalten und fest verankert.
Danach kam die völlige Entspannung der Knoten war geplatzt, es hatte sich etwas
in mir gelöst. Ein Gefühl von leichtsein machte sich in mir breit. Von nun an
kann ich sagen war nichts mehr wie zuvor, wenn ich das so beim schreiben lese
klingt das schon alles ein wenig skurril, unecht oder sogar erfunden. Und
dennoch ich kann es wirklich mit Recht behaupten es ist genauso geschehen ohne
Zauberei oder irgendwas dazu getan. Von da an war ich nicht nur dabei sondern
ich konnte es spüren mit jeder Faser meines Körpers. Ich war ein Teil von
allem, ich fühlte ganz bewusst in mich hinein und dort war keine Angst die ich
wahrnehmen konnte. Keine Unruhe war zu spüren, ich fühlte mich aufgenommen,
angenommen und bestätigt. Solch eine Erfahrung habe ich leider noch nie richtig
machen dürfen, bedingungslos sollte sie sein die Liebe einer Mutter - für
mich existiert da aber nur ein schwarzes Loch wenn ich daran denke / nachfühle.
So langsam bekam ich eine Ahnung wie sich das anfühlen mag, respektiert und
bedingungslos geliebt und sein zu dürfen. Von Stunde zu Stunde fühlte ich mich
angenommener, ich konnte sein mit all meinen Fehlern, mit all meiner
Unvollkommenheit. Ich war immer wieder bei den Essen, Meditationen oder
Gesprächen so bewegt dass mir manchmal fast die Luft weg blieb. Für mich
bis dahin fremde Menschen empfingen mich mit leichten Berührungen bis hin zu innigen
Umarmungen, weiter ging es mit interessanten Gesprächen bis ich letztendlich an
diesem 2. Tag nach der letzten Meditationseinheit zufrieden , ja wirklich
zufrieden ins Bett gegangen bin. Zufriedenheit war bis zu diesem Zeitpunkt mir
als Wort bekannt, aber eine wirkliche Vorstellung wie sich das anfühlt hatte
ich bis dahin nicht.
3. Tag
Am 3. Tag bin ich nach einer sehr ruhigen und für mich
inneren leisen Nacht aufgewacht, mit ja mit Migräne. Meine Seele war wohl
mit so viel Glückseligkeit überfordert anders kann ich mir das Momentan nicht
erklären. Somit konnte ich wieder an der Morgenmeditation nicht teilnehmen aber
auch dies nahm mir niemand übel im Gegenteil alle zeigten sich etwas besorgt
und fragten sogar nach wie es mir ging. Auch was die Vorträge an dem Tag anging
konnte ich sie leider nicht wahrnehmen aber auch dort wurde mir gleich danach
angeboten mich darüber zu informieren. Ein so starkes WIR Gefühl habe ich noch
nie erlebt.
Ich möchte auch noch kurz etwas zu den kleinen Ritualen und
der Puja sagen - Ohne das Ganze zu zerreden. Es war eine wahnsinnige Energie im
Raum zu spüren, ich war wie verzaubert. Wir haben uns gemeinsam getragen, eben
Sangha . Als die Mantras vorgesprochen wurden und wir sie wiederholt haben
bekam ich von Kopf bis Fuß eine Gänsehaut – am ganzen Körper hat es gekribbelt.
Ich war überwältigt von all dem Zauber, der Freude und der Liebe. Ich musste
mich dann wieder in Geduld üben, weil auch danach ja wieder schweigen war bis
zum nächsten Morgen nach dem Frühstück.
4. Tag
Nach der Morgenmeditation, gab es dann wieder ein
gemeinsames Frühstück im Schweigen. Zum Schweigen kann ich mittlerweile sagen
ich habe mich ziemlich schnell daran gewöhnt und konnte es dann sogar schon
bald genießen. Diese Ruhe, die friedliche Stille, das Wahrnehmen anderer
kleinen schönen Dinge die sonst im lauten miteinander unbeachtet untergangen
sind. Den gemeinsamen Austausch fand ich aber genauso wichtig wie das
Schweigen. Auch wie sich die Reinigung des Hauses gestaltete hat war für mich
ein Erlebnis, die Aufgaben wurden verteilt und alles funktionierte reibungslos
es war im Fluss wir alle schwammen im Fluss der Liebe. Zum Mittag haben wir uns
dann nochmal alle unten in dem Schreinraum zur Verabschiedung getroffen. Jeder
hat sich mitgeteilt ein paar Worte zu dem Retreat gesagt. Ich war so sehr
bewegt mir kamen beim sammeln dort, beim innerlichen ankommen die Tränen.
Weil ich es auch heute noch kaum glauben kann was ich dort erleben durfte, es
erfüllt mich so mit Dankbarkeit und Liebe – das ist ein so angenehmer Zustand.
Kostbar und zerbrechlich zu gleich, möchte ich weiter an mir arbeiten. Weiter
dabei bleiben ein guter, friedvoller Mensch zu sein zu mir und allen anderen
Wesen auf dieser Welt.
Denn ich habe noch nie in meinem Leben über so einen langen
Zeitraum keinen inneren Mangel und keine Ängste gespürt.
Ich DANKE dir nochmal von ganzen Herzen liebe Christiane das
du mich dazu eingeladen hast!
Ein Bericht einer Patientin von Christiane - vielen Dank, dass wir ihn veröffentlichen durften!
Ein Bericht einer Patientin von Christiane - vielen Dank, dass wir ihn veröffentlichen durften!
Was für ein schöner Bericht! _/|\_
AntwortenLöschenVielen Dank, wir werden das an die Verfasserin weitergeben, die sich sicherlich sehr freut!
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