Sonntag, 20. März 2016

Meditation, Teil 2: Metta Bhavana

Letzte Woche haben wir uns die Atemmeditation angeschaut, heute beschäftigen wir uns näher mit der Meditation der Liebenden Güte, der Metta Bhavana. Worum geht es dabei? Die Metta Bhavana soll dabei helfen, Metta zu kultivieren. Bevor wir beschreiben, wie die Meditation geht, schauen wir uns zunächst einmal an, was Metta eigentlich ist.

„Metta“ bedeutet übersetzt so etwas wie liebende Güte oder Freundlichkeit. Damit ist universale Liebe oder Wohlwollen gegenüber allen fühlenden Wesen gemeint. Diese Liebe ist bedingungslos, sie ist ohne die Erwartung, etwas dafür zurückzubekommen. Sie schließt Menschen ein, die uns nahe stehen, wie beispielsweise Familie oder Freunde. Sie umfasst aber ebenso Menschen, die wir nicht kennen, wie beispielsweise die Kassiererin im Supermarkt, den Apotheker oder die Mitfahrer in der Bahn, ja selbst die Menschen, denen wir nie begegnet sind. Mit „fühlende Wesen“ sind darüber hinaus auch Tiere gemeint und sogar andere Wesen irgendwo im Universum, die zu Empfindungen fähig sind. Doch ein solches Gefühl für andere können wir nur entwickeln, wenn wir liebevoll und gütig zu uns selbst sind. Wir möchten also auch liebende Güte für uns selbst entwickeln. Das ist „Metta“. „Bhavana“ bedeutet so viel wie „Kultivieren“ oder „Entwickeln“. Bei der Metta Bhavana geht es also darum, liebende Güte für sich selbst und andere zu entwickeln.

Der Buddha schätzte die Metta Bhavana als besonders wichtig auf dem Weg zur Erleuchtung ein. Warum? Metta erlaubt es uns, weicher und weniger streng zu uns selbst und zu anderen zu sein. Wir müssen zunächst Wertschätzung und Akzeptanz für uns selbst entwickeln, bevor wir beides auch anderen entgegenbringen können. Ich stelle bei mir selbst oftmals fest, dass ich viel an den Menschen um mich herum auszusetzen habe, wenn ich selbst einen schlechten Tag habe oder mit mir unzufrieden bin. Wenn ich mich selbst annehmen kann, fällt es mir dagegen viel leichter, auch die anderen um mich herum anzunehmen.

Vielen Menschen fällt gerade das Metta für sich selbst besonders schwer. Meist sind wir so aufgewachsen, dass wir uns selbst gegenüber kritisch und besonders hart sind. Der Psychologe Guy Winch sagt, wenn wir einen Misserfolg erleben oder es uns schlecht geht, dann sollten wir uns nicht noch selbst kritisieren und verurteilen. Vielmehr sollten wir so mit uns umgehen, wie wir das von unserem besten Freund oder unserer besten Freundin erwarten würden. Von ihm oder ihr würden wir tröstende Worte, Geduld und hilfreiches Feedback erwarten. Das aber bedeutet, dass wir umlernen müssen, denn das sind wir nicht gewohnt. Also seien Sie nicht verunsichert, wenn Ihnen Metta für sich selbst schwer fällt, es geht sehr vielen Menschen so. Und wann immer Sie besonders streng zu sich sind, überlegen Sie sich, welche Behandlung Sie in der Situation von Ihrem besten Freund oder Ihrer besten Freundin erwarten würden.

Metta für andere fängt schon ganz im Kleinen an. Versuchen Sie einfach nur, die Menschen um sich herum wirklich wahrzunehmen. Versuchen Sie, kleine freundliche Handlungen auszuführen. Wenn Sie durch eine Tür gehen, schauen Sie, ob jemand hinter Ihnen ist, für den Sie vielleicht die Tür aufhalten können. Schenken Sie dem Bäcker beim Brötchenholen am Morgen mal ein Lächeln oder ein nettes Wort. Geben Sie dem Obdachlosen einen Euro. Hören Sie Ihren Freunden einmal wirklich nur zu. Nicht, damit Sie das erfahren, was Sie interessiert, sondern damit der andere Ihnen erzählen kann, was ihm auf dem Herzen liegt. Stellen Sie keine Fragen und lassen Sie den anderen ausreden. Signalisieren Sie nur, dass Sie zuhören, beispielsweise durch Nicken, durch Augenkontakt. Und dann sehen Sie, was passiert. Plötzlich bedankt sich der Mensch hinter Ihnen fürs Türaufhalten, plötzlich geht ein Lächeln um die Welt, plötzlich öffnet sich der Freund und Sie lernen vielleicht eine ganz andere Seite an ihm kennen. Probieren Sie es aus – und nehmen Sie sich nicht zu viel vor, denn auch hier gilt: Seien Sie geduldig mit sich selbst!

Auf Free Buddhist Audio gibt es einen wunderschönen Vortrag von Prasadavati zum Thema Metta.

Nun kehren wir zur Meditation zurück. Wie läuft die Metta Bhavana ab? Die Meditation unterteilt sich in fünf Phasen. Bevor Sie mit der ersten Phase beginnen, nehmen Sie sich einen Moment, um sich in eine aufrechte und entspannte Haltung zu setzen, so wie wir das letzte Woche bereits beschrieben haben. Atmen Sie ein paar Mal tief durch, senken Sie den Blick oder schließen Sie die Augen und fühlen Sie einen Moment in sich hinein. Wie geht es Ihnen gerade? Konzentrieren Sie sich auf Ihren Atem, kommen Sie zur Ruhe und kommen Sie ganz im Moment an. Dann beginnen Sie mit Phase 1.

Phase 1: Metta für sich selbst. In dieser Phase entwickeln Sie liebende Güte für sich selbst. Es gibt verschiedene Methoden, probieren Sie einfach aus, welche davon für Sie funktionieren. Eine Möglichkeit ist, sich im Geiste Wünsche vorzusprechen wie beispielsweise „Mögest du glücklich sein.“, „Mögest du gesund sein.“ oder „Mögest du dich sicher und geborgen fühlen“. Eine andere Möglichkeit ist, sich in der Herzgegend einen Sonnenstrahl vorzustellen und sich die Qualität des Sonnenlichts vor Augen zu führen: es ist hell und warm und löst alle Anspannung. Dann stellt man sich vor, wie sich dieser Sonnenstrahl im Körper ausbreitet und mit ihm Licht und Wärme, so lange, bis er über den Körper hinausstrahlt. Noch eine weitere Möglichkeit ist, sich selbst von außen zu sehen, wie man an einem Ort sitzt, an dem man sich wohl fühlt, und sich dann vorstellt, wie sich das eigene Gesicht immer mehr aufhellt. Versuchen Sie einmal, sich selbst beim Meditieren ein Lächeln zu schenken. Nehmen Sie wahr, welche Veränderung selbst bei einem ganz kleinen Lächeln durch Sie hindurchgeht.

Phase 2: Metta für eine nahestehende Person. Suchen Sie sich eine Person aus, die Ihnen sehr nahesteht und die Sie besonders lieb haben – am besten aber keinen Sexualpartner, vielleicht besser den besten Freund oder die beste Freundin, die Großmutter, den Patenonkel. Schicken Sie dieser Person Metta. Auch hier können Sie die oben schon beschriebenen Methoden verwenden: die guten Wünsche, den Sonnenstrahl, der sich bei der Person von der Herzgegend aus im Körper ausbreitet, oder die Person an einem Ort, an dem sie sich wohl fühlt, während Sie beobachten, wie das Gesicht der Person immer glücklicher wird.

Phase 3: Metta für eine neutrale Person. Suchen Sie sich eine Person aus, die Sie nur vom Sehen kennen, wie beispielsweise Ihren Bäcker oder Ihre Busfahrerin, und der gegenüber Sie weder besonders positive noch besonders negative Gefühle haben. Schicken Sie dieser Person nun Metta. Auch hier können Sie die oben beschrieben Methoden verwenden.

Phase 4: Metta für eine schwierige Person. Suchen Sie sich nun eine Person aus, mit der Sie Schwierigkeiten haben. Hängen Sie allerdings nicht gleich die Latte zu hoch. Es sollte schon jemand sein, mit dem Sie nicht gut zurechtkommen, aber für den Anfang auch niemand, dem gegenüber Sie einen tiefen Groll oder Hass empfinden oder mit dem Sie seit Jahren in intensivem Streit leben. Vielleicht gibt es einen Kollegen, mit dem Sie nicht so gut zusammenarbeiten können. Oder einen Nachbarn, der immer mal wieder zu laut Musik hört. Nun schicken Sie dieser Person Metta, auch hier mit den gleichen Methoden, die wir bereits beschrieben haben. Es kann hilfreich sein, sich zu verdeutlichen, dass die andere Person genauso wie wir selbst nur glücklich sein möchte. Das ist etwas, was wir mit ihr gemeinsam haben. Sie sagt und tut die Dinge, die aus ihrer Sicht richtig sind, auch wenn wir sie vielleicht als falsch oder dumm wahrnehmen.

Phase 5: Metta für alle fühlenden Wesen. Dehnen Sie nun Ihr Metta allmählich auf die ganze Welt und auf alle fühlenden Wesen aus. Ich finde es dabei hilfreich, in einem Kreis bekannter Personen zu beginnen und diesen dann nach und nach auszudehnen. Beispielsweise könnten Sie mit Ihren Nachbarn beginnen, das Metta dann auf Ihr Stadtviertel, die ganze Stadt, ganz Deutschland, Europa, die Welt auszudehnen. Manchmal kommen Ihnen vielleicht Menschengruppen in den Sinn, denen Sie gerade besonders Metta schicken möchten, beispielsweise die Flüchtlinge an den Grenzen Europas, die hungerleidenden Menschen in Afrika oder die Menschen in Katastrophengebieten. Am Ende der Meditation fühlen Sie nochmals in sich hinein. Was hat sich in Ihnen verändert? Wie begegnen Sie nun den Menschen um sich herum?

Hier gilt wie auch bei der Atemmeditation: Es ist wichtig, regelmäßig zu üben. Also setzen Sie sich lieber jeden Tag fünf Minuten hin als einmal die Woche eine Stunde. Auch bei dieser Meditation kann es hilfreich sein, zunächst eine geführte Meditation zu machen. Auf Free Buddhist Audio gibt es eine geführte Metta Bhavana von Dhammaloka.

Ein Beitrag von Katha.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen