Sonntag, 11. September 2016

Übung: Dankbarkeit für eine Mahlzeit

In der letzten Woche haben wir einen Überblick über die Vier Edlen Wahrheiten gegeben, die wir uns in den kommenden Wochen im Detail anschauen wollen. Wie Christiane bereits schrieb, kann es sehr schmerzhaft sein, diese Wahrheiten anzunehmen und ihnen ins Auge zu schauen. Daher werden wir zwischen den Ausführungen zu den Vier Edlen Wahrheiten immer kleine Einheiten einfügen, in denen wir Übungen zum Kultivieren positiver Geisteshaltungen ganz allgemein oder zum Kultivieren von Metta (Liebender Güte) im Besonderen vorstellen. Alle Übungen sollen einfach und im Alltag anwendbar sein.

Dankbarkeit ist eine positive Emotion, die man aktiv verstärken kann und die dazu beiträgt, dass wir insgesamt mehr positive Emotionen empfinden. Das weiß nicht nur der Buddhismus seit über 2.500 Jahren, das belegen auch zahlreiche wissenschaftliche Studien. Man kann Dankbarkeit mit verschiedenen Übungen kultivieren, und heute stellen wir eine vor, die man ganz einfach und ohne Aufwand mehrmals täglich machen kann: die Dankbarkeit für eine Mahlzeit. In Plum Village, dem Kloster des Zen-Meisters Thich Nhat Hanh, wird diese Übung von Mönchen und Nonnen sowie von Besuchern tatsächlich vor jeder Mahlzeit durchgeführt. Wie funktioniert sie?

Wenn das Essen vor uns auf dem Tisch steht, schließen wir kurz die Augen und überlegen uns, wer alles dazu beigetragen hat, dass wir nun diese Mahlzeit zu uns nehmen können. Bei mir gab es heute zu Mittag Pasta in einer Pfifferling-Tomaten-Sahne-Soße. Also habe ich zunächst den Menschen gedankt, welche das Getreide für die Pasta und für die Hafer-Cuisine (Sahne-Ersatz) sowie die Pilze und die Tomaten angebaut und geerntet haben; Sonne, Regen, Erde und Wind, die alles haben wachsen lassen; den LKW-Fahrern, die alle Lebensmittel vom Bauernhof zur Weiterverarbeitung und dann in den Supermarkt gefahren haben; den Angestellten im Supermarkt, welche die Ladung ausräumen, lagern, in die Regale räumen; die im Supermarkt kassieren. Aber es geht noch viel weiter. Da sind die Menschen, welche die Rezepte für die Pasta entwickelt, die Verpackungen hergestellt und designt haben; die, welche die Materialien für die Verpackungen hergestellt haben, beispielsweise die Pappe für die Pasta-Verpackung; die Menschen, welche die Rohstoffe für die Verpackungen abgebaut und hergestellt haben; die Menschen, welche Düngemittel für die Landwirtschaft entwickeln, herstellen und verkaufen; die Hersteller der landwirtschaftlichen Maschinen, usw. Man kann beliebig weit zurückgehen und am Ende komme ich meist zu dem Schluss, dass irgendwie die ganze Welt daran beteiligt war, dass ich nun dieses leckere Essen auf dem Teller habe, und dass ich der ganzen Welt dafür dankbar sein kann.

Wann immer ich diese Übung mache, stelle ich fest, dass ich meine Mahlzeit mit einem Lächeln beginne. Und nicht nur das. Ich genieße sie vom ersten bis zum letzten Bissen und bin viel mehr bei der Sache als wenn ich die Übung vorab nicht mache.

Ein Beitrag von Katha.

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