Sonntag, 28. August 2016

Bodhisattva @ Work

Wer von unseren Lesern ist berufstätig? Sicherlich sehr viele. Wie verhält es sich bei der Arbeit mit unserer buddhistischen Praxis? Lassen wir sie zu Hause, sowie wir nach der Meditation das Kissen verlassen? Ob Vollzeit oder Teilzeit, wir verbringen sehr viel Zeit unseres Lebens bei der Arbeit und mit unseren Kollegen. Eigentlich wäre es schade, wenn wir diese Zeit nicht auch zum Praktizieren nutzen würden. Das findet auch Shraddhaghosha, ein Ordensmitglied der buddhistischen Gemeinschaft Triratna, in seinem Vortrag auf Free Buddhist Audio, den wir uns heute näher anschauen wollen.

Auch der Buddha, so berichtet Shraddhaghosha, hat den Menschen schon Hinweise gegeben, wie sie den Beruf für ihre spirituelle Entwicklung nutzen können. Wie kann das gehen? Wir können, so sagt Shraddhaghosha, uns am Bodhisattva-Ideal orientieren. Ein Bodhisattva ist übersetzt, ein „Erleuchtungswesen“, also jemand, der so werden will, wie der Buddha gewesen ist, zum Wohle aller Wesen. Was genau das bedeutet, werden wir uns in einem anderen Beitrag ansehen. Hier sei nur so viel gesagt: Im Kontext der Arbeit bedeutet es, dass ein Bodhisattva andere – Kollegen, Vorgesetzte – nicht als Mittel zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse sieht, sondern uneigennützig und aus wirklichem Wohlwollen für sie handelt. Wie das konkret aussehen kann, das erläutert Shraddhaghosha anhand der sechs Paramitas oder Tugenden, in denen ein Bodhisattva sich übt.

Großzügigkeit: Wir geben, ohne etwas als Gegenleistung zu erwarten. Dadurch bewahrt sie uns davor, gierig zu werden. Im Beruf können wir zunächst unsere Arbeitskraft und unsere Fähigkeiten geben. Das bedeutet, dass wir das tun, wofür wir bezahlt werden. Aber es geht noch etwas weiter. Wir sind, wie Shraddhaghosha  sagt, spiritueller Unternehmer in eigener Sache. Das bedeutet, dass wir schauen müssen, wo etwas gebraucht wird. Wen von den Kollegen kann ich unterstützen, sei es mit meinen Fähigkeiten oder auch nur mit einem offenen Ohr?

Diese Aussage hat bei einem Praxisnachmittag bei uns im Sangha, an dem wir uns mit dem Vortrag beschäftigt haben, zu heftigen Diskussionen geführt. Viele von uns bewegen sich am Rande der Belastbarkeit, wie kann man da noch mehr geben? Hier können wir wieder auf das verweisen, was wir beim Retreat gelernt haben: mitfühlendes Gewahrsein, was auch bedeutet, bei sich selbst zu sein und eben nur so viel zu geben, wie wir auch tatsächlich physisch in der Lage sind zu geben. Aber man muss nicht immer große und kraftraubende Dinge tun. Oft reichen auch Kleinigkeiten an wie einfach nur „Guten Morgen“ zu sagen oder die Kollegen schlichtweg wahrzunehmen und nicht einfach zu übersehen.

Doch die Großzügigkeit geht weiter. Wie kann ich vielleicht sogar meinen Arbeitgeber unterstützen? Möglicherweise kann ich ihm einfach nur dankbar sein, weil er mir die Gelegenheit gibt, zu arbeiten und Geld zu verdienen, auch wenn ich mich vielleicht manchmal über ihn ärgere. Das rufe ich selbst mir oft in Erinnerung, wenn ich mich ärgere, dass ich einmal wieder mit Arbeit überhäuft werde. Wann immer ich mich in der Arbeit ärgere, versuche ich mir in Erinnerung zu rufen, dass mein Job auch viele schöne Seiten hat, die ich sehr schätze, und dass ich viele Möglichkeiten habe. Das wiederum bedeutet nicht, dass ich alles hinnehmen muss! Großzügigkeit gegenüber dem Arbeitgeber kann sich übrigens auch ganz einfach äußern, und sei es nur indem ich meine Arbeitsmittel pfleglich bearbeite und in meiner Arbeitszeit auch tatsächlich arbeite. Wenn wir Dankbarkeit zeigen, ändert sich gleich das ganze Klima bei der Arbeit. Das bemerke ich oft. Wenn alle schimpfen, wird das Klima einfach nur schlecht und es ändert sich doch nichts. Verschiebt man den Fokus auf das, was gut ist, dann verbessert sich auch gleich die Stimmung. Auch das bedeutet nicht, dass man alles hinnehmen muss. Auch an der Stelle hatten wir am Praxisnachmittag eine fast schon emotionale Diskussion. Dennoch finde ich es oft hilfreich, sich auf die positiven Aspekte zu konzentrieren, haben wir Menschen doch oft so die Neigung, uns an negativen Dingen festzubeißen.

Ethik: Über die fünf ethischen Grundsätze haben wir bereits berichtet. Der erste Vorsatz, nicht töten, bedeutet bekanntlich auch, niemandem zu schaden. In Bezug auf die Arbeit bedeutet das, dass wir andere nicht aggressiv angehen oder nicht versuchen, andere zum eigenen Vorteil auszunutzen oder zur Seite zu schieben. Der zweite Vorsatz, nicht stehlen, bedeutet, sich sehr genau über das eigene Verhalten Gedanken zu machen. Wer hat nicht schon einmal einen Kugelschreiber aus dem Büro mitgenommen, private Dokumente bei der Arbeit ausgedruckt oder den Arbeitstag nicht produktiv genutzt? Der dritte Vorsatz, kein sexuelles Fehlverhalten, bedeutet, dass man keine sexistischen Witze macht oder Kollegen nicht sexuell belästigt, aber auch, dass man sich anschaut, mit wem man flirtet. Der verheiratete Kollege sollte es nun gerade nicht sein. Der vierte Vorsatz, nicht lügen, bedeutet unter anderem, die richtigen Dinge zur richtigen Zeit zu sagen, um Kollegen nicht zu verletzen. Er umfasst darüber hinaus, nicht hinter dem Rücken von Kollegen schlecht über sie zu reden. Der fünfte Vorsatz, den Geist nicht benebeln, bedeutet, wirklich präsent und wach zu sein und das zu tun, wofür wir bezahlt werden. Das schließt auch ein, dass man einen Lebenswandel hat, der die eigene Arbeitsfähigkeit unterstützt.

Geduld: Ein Teil dieser Tugend ist geistige Offenheit oder Toleranz. Das bedeutet, dass man zwar eine klare Haltung hat, aber dass andere auch ihre Haltung ausrücken dürfen und wir selbst das aushalten. Das schließt ein anzuerkennen, dass wir vielleicht nicht so perfekt sind, wie wir denken. Das mag uns in der Theorie klar sein, aber wie oft fühlen wir uns persönlich angegriffen, wenn wir kritisiert werden?

Energie: Das bedeutet Tatkraft oder Eínsatzbereitschaft; man sollte sich bei der Arbeit demnach anstrengen. Das schließt aber auch das aktive Freisetzen des Guten ein, also mitzubekommen, wie es den anderen geht und was gerade gebraucht wird. Wichtig ist dabei jedoch auch, wie bereits weiter oben beschrieben, nicht über die eigene Kraft zu gehen.

Konzentration: Das ist die Fähigkeit, den Geist dort ruhen zu lassen, wo wir es wünschen. Wir sind konzentriert, vollkommen fokussiert und nicht abgelenkt. Das wird in der Wissenschaft auch als Flow bezeichnet: Das beglückend erlebte Gefühl eines mentalen Zustands völligen Vertiefung in eine Tätigkeit, die wie von selbst von sich geht. Bei der Arbeit bedeutet das, sich beispielsweise nicht von eingehenden Emails oder Nachrichten auf Social Media ablenken zu lassen. Eine solche Konzentration führt auch dazu, dass wir ruhiger und klarer werden. Vielleicht muss man sich dabei manchmal selbst die Bedingungen schaffen. Wenn ich mich auf eine Aufgabe konzentrieren muss, schließe ich beispielsweise oft für eine oder zwei Stunden Outlook, so dass mich eingehende Emails nicht ablenken können. Ich arbeite auch einen Tag in der Woche von zu Hause aus, weil dann nicht dauernd jemand in mein Büro spaziert und mich mit Fragen in meinem Flow unterbricht.

Weisheit: Das beinhaltet unter anderem das Wissen, welche Handlungen angemessen sind, und das Wissen um Karma, also die Tatsache, dass Handlungen Folgen haben. Im Berufsleben bedeutet das, unsere Fähigkeiten zu trainieren und die Dinge, die wir tun, gut tun, aus unseren Fehlern lernen.

Wir sehen also, dass die Arbeit ein breites Übungsfeld für die buddhistische Praxis darstellt. Es macht bestimmt Sinn, sich nicht zu viel auf einmal vorzunehmen und mit einzelnen Themen zu beginnen. Das Gesagte lässt sich übrigens nicht nur auf die Arbeit anwenden, sondern auf alle Situationen, in denen wir in Teams, die wir uns nicht unbedingt ausgesucht haben, eine Aufgabe bewältigen. Das kann im Ehrenamt sein oder auch tatsächlich im Sangha, wenn wir unser Programm planen. Das sind doch gute Aussichten!

Hier der Link zum Vortrag auf Free Buddhist Audio: https://www.freebuddhistaudio.com/audio/details?num=LOC2737

Ein Beitrag von Katha.

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