Wer von unseren Lesern ist berufstätig? Sicherlich sehr
viele. Wie verhält es sich bei der Arbeit mit unserer buddhistischen Praxis?
Lassen wir sie zu Hause, sowie wir nach der Meditation das Kissen verlassen? Ob
Vollzeit oder Teilzeit, wir verbringen sehr viel Zeit unseres Lebens bei der
Arbeit und mit unseren Kollegen. Eigentlich wäre es schade, wenn wir diese Zeit
nicht auch zum Praktizieren nutzen würden. Das findet auch Shraddhaghosha, ein
Ordensmitglied der buddhistischen Gemeinschaft Triratna, in seinem Vortrag auf Free Buddhist Audio,
den wir uns heute näher anschauen wollen.
Auch der Buddha, so berichtet Shraddhaghosha, hat den
Menschen schon Hinweise gegeben, wie sie den Beruf für ihre spirituelle
Entwicklung nutzen können. Wie kann das gehen? Wir können, so sagt Shraddhaghosha,
uns am Bodhisattva-Ideal orientieren. Ein Bodhisattva ist übersetzt, ein „Erleuchtungswesen“,
also jemand, der so werden will, wie der Buddha gewesen ist, zum Wohle aller
Wesen. Was genau das bedeutet, werden wir uns in einem anderen Beitrag ansehen.
Hier sei nur so viel gesagt: Im Kontext der Arbeit bedeutet es, dass ein
Bodhisattva andere – Kollegen, Vorgesetzte – nicht als Mittel zur Befriedigung
der eigenen Bedürfnisse sieht, sondern uneigennützig und aus wirklichem
Wohlwollen für sie handelt. Wie das konkret aussehen kann, das erläutert Shraddhaghosha
anhand der sechs Paramitas oder Tugenden, in denen ein Bodhisattva sich übt.
Großzügigkeit: Wir geben, ohne etwas als Gegenleistung zu
erwarten. Dadurch bewahrt sie uns davor, gierig zu werden. Im Beruf können wir
zunächst unsere Arbeitskraft und unsere Fähigkeiten geben. Das bedeutet, dass
wir das tun, wofür wir bezahlt werden. Aber es geht noch etwas weiter. Wir
sind, wie Shraddhaghosha sagt,
spiritueller Unternehmer in eigener Sache. Das bedeutet, dass wir schauen
müssen, wo etwas gebraucht wird. Wen von den Kollegen kann ich unterstützen,
sei es mit meinen Fähigkeiten oder auch nur mit einem offenen Ohr?
Diese Aussage hat bei einem Praxisnachmittag bei uns im
Sangha, an dem wir uns mit dem Vortrag beschäftigt haben, zu heftigen
Diskussionen geführt. Viele von uns bewegen sich am Rande der Belastbarkeit,
wie kann man da noch mehr geben? Hier können wir wieder auf das verweisen, was
wir beim Retreat gelernt haben: mitfühlendes Gewahrsein, was auch bedeutet, bei
sich selbst zu sein und eben nur so viel zu geben, wie wir auch tatsächlich
physisch in der Lage sind zu geben. Aber man muss nicht immer große und
kraftraubende Dinge tun. Oft reichen auch Kleinigkeiten an wie einfach nur
„Guten Morgen“ zu sagen oder die Kollegen schlichtweg wahrzunehmen und nicht
einfach zu übersehen.
Doch die Großzügigkeit geht weiter. Wie kann ich vielleicht
sogar meinen Arbeitgeber unterstützen? Möglicherweise kann ich ihm einfach nur
dankbar sein, weil er mir die Gelegenheit gibt, zu arbeiten und Geld zu
verdienen, auch wenn ich mich vielleicht manchmal über ihn ärgere. Das rufe ich
selbst mir oft in Erinnerung, wenn ich mich ärgere, dass ich einmal wieder mit
Arbeit überhäuft werde. Wann immer ich mich in der Arbeit ärgere, versuche ich
mir in Erinnerung zu rufen, dass mein Job auch viele schöne Seiten hat, die ich
sehr schätze, und dass ich viele Möglichkeiten habe. Das wiederum bedeutet
nicht, dass ich alles hinnehmen muss! Großzügigkeit gegenüber dem Arbeitgeber
kann sich übrigens auch ganz einfach äußern, und sei es nur indem ich meine
Arbeitsmittel pfleglich bearbeite und in meiner Arbeitszeit auch tatsächlich
arbeite. Wenn wir Dankbarkeit zeigen, ändert sich gleich das ganze Klima bei
der Arbeit. Das bemerke ich oft. Wenn alle schimpfen, wird das Klima einfach
nur schlecht und es ändert sich doch nichts. Verschiebt man den Fokus auf das,
was gut ist, dann verbessert sich auch gleich die Stimmung. Auch das bedeutet
nicht, dass man alles hinnehmen muss. Auch an der Stelle hatten wir am
Praxisnachmittag eine fast schon emotionale Diskussion. Dennoch finde ich es
oft hilfreich, sich auf die positiven Aspekte zu konzentrieren, haben wir
Menschen doch oft so die Neigung, uns an negativen Dingen festzubeißen.
Ethik: Über die fünf ethischen Grundsätze haben wir bereits berichtet.
Der erste Vorsatz, nicht töten, bedeutet bekanntlich auch, niemandem zu
schaden. In Bezug auf die Arbeit bedeutet das, dass wir andere nicht aggressiv
angehen oder nicht versuchen, andere zum eigenen Vorteil auszunutzen oder zur
Seite zu schieben. Der zweite Vorsatz, nicht stehlen, bedeutet, sich sehr genau
über das eigene Verhalten Gedanken zu machen. Wer hat nicht schon einmal einen
Kugelschreiber aus dem Büro mitgenommen, private Dokumente bei der Arbeit
ausgedruckt oder den Arbeitstag nicht produktiv genutzt? Der dritte Vorsatz,
kein sexuelles Fehlverhalten, bedeutet, dass man keine sexistischen Witze macht
oder Kollegen nicht sexuell belästigt, aber auch, dass man sich anschaut, mit
wem man flirtet. Der verheiratete Kollege sollte es nun gerade nicht sein. Der
vierte Vorsatz, nicht lügen, bedeutet unter anderem, die richtigen Dinge zur
richtigen Zeit zu sagen, um Kollegen nicht zu verletzen. Er umfasst darüber
hinaus, nicht hinter dem Rücken von Kollegen schlecht über sie zu reden. Der
fünfte Vorsatz, den Geist nicht benebeln, bedeutet, wirklich präsent und wach
zu sein und das zu tun, wofür wir bezahlt werden. Das schließt auch ein, dass
man einen Lebenswandel hat, der die eigene Arbeitsfähigkeit unterstützt.
Geduld: Ein Teil dieser Tugend ist geistige Offenheit oder
Toleranz. Das bedeutet, dass man zwar eine klare Haltung hat, aber dass andere
auch ihre Haltung ausrücken dürfen und wir selbst das aushalten. Das schließt
ein anzuerkennen, dass wir vielleicht nicht so perfekt sind, wie wir denken.
Das mag uns in der Theorie klar sein, aber wie oft fühlen wir uns persönlich
angegriffen, wenn wir kritisiert werden?
Energie: Das bedeutet Tatkraft oder Eínsatzbereitschaft; man
sollte sich bei der Arbeit demnach anstrengen. Das schließt aber auch das
aktive Freisetzen des Guten ein, also mitzubekommen, wie es den anderen geht
und was gerade gebraucht wird. Wichtig ist dabei jedoch auch, wie bereits
weiter oben beschrieben, nicht über die eigene Kraft zu gehen.
Konzentration: Das ist die Fähigkeit, den Geist dort ruhen
zu lassen, wo wir es wünschen. Wir sind konzentriert, vollkommen fokussiert und
nicht abgelenkt. Das wird in der Wissenschaft auch als Flow bezeichnet: Das
beglückend erlebte Gefühl eines mentalen Zustands völligen Vertiefung in eine
Tätigkeit, die wie von selbst von sich geht. Bei der Arbeit bedeutet das, sich
beispielsweise nicht von eingehenden Emails oder Nachrichten auf Social Media ablenken
zu lassen. Eine solche Konzentration führt auch dazu, dass wir ruhiger und
klarer werden. Vielleicht muss man sich dabei manchmal selbst die Bedingungen
schaffen. Wenn ich mich auf eine Aufgabe konzentrieren muss, schließe ich
beispielsweise oft für eine oder zwei Stunden Outlook, so dass mich eingehende
Emails nicht ablenken können. Ich arbeite auch einen Tag in der Woche von zu
Hause aus, weil dann nicht dauernd jemand in mein Büro spaziert und mich mit
Fragen in meinem Flow unterbricht.
Weisheit: Das beinhaltet unter anderem das Wissen, welche
Handlungen angemessen sind, und das Wissen um Karma, also die Tatsache, dass
Handlungen Folgen haben. Im Berufsleben bedeutet das, unsere Fähigkeiten zu
trainieren und die Dinge, die wir tun, gut tun, aus unseren Fehlern lernen.
Wir sehen also, dass die Arbeit ein breites Übungsfeld für
die buddhistische Praxis darstellt. Es macht bestimmt Sinn, sich nicht zu viel
auf einmal vorzunehmen und mit einzelnen Themen zu beginnen. Das Gesagte lässt
sich übrigens nicht nur auf die Arbeit anwenden, sondern auf alle Situationen,
in denen wir in Teams, die wir uns nicht unbedingt ausgesucht haben, eine
Aufgabe bewältigen. Das kann im Ehrenamt sein oder auch tatsächlich im Sangha,
wenn wir unser Programm planen. Das sind doch gute Aussichten!
Hier der Link zum Vortrag auf Free Buddhist Audio: https://www.freebuddhistaudio.com/audio/details?num=LOC2737
Ein Beitrag von Katha.
Ein Beitrag von Katha.
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